Gedenkstätte Osthofen

Geschichte eines fast vergessenen Konzentrationslagers
Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge lädt zur Führung durch die Gedenkstätte „KZ Osthofen“ ein

„Wegen unerlaubter Flugblattverteilung und des dringenden Verdachts kommunistischer Zusammenkünfte ins Konzentrationslager Osthofen verbracht“ – so wie die drei Zwingenberger Ludwig Mütz, Philipp Steitz und Paul Drach im September 1933 wurden viele Gegner des NS-Regimes und Personen, die den Nazis nicht genehm waren, aus nichtigem Grund oder lediglich eines Verdachts wegen nach Osthofen gebracht. Für viele von ihnen war dies die erste Etappe einer langen Reihe von Verschleppungen in Gefängnisse, Zuchthäuser und weitere Konzentrationslager.
Das Konzentrationslager Osthofen wenige Kilometer nördlich von Worms war das erste KZ des ehemaligen Volksstaates Hessen, zu dem damals die Provinzen Oberhessen, Starkenburg und Rheinhessen gehörten. Von März 1933 bis Juli 1934 wurden in Osthofen politische Gegner der NSDAP aus den Reihen der Gewerkschaften, KPD, SPD sowie Angehörige des katholischen Zentrums, Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas und andere missliebige Personen ohne richterliche Verfügung inhaftiert. Hier begannen Unmenschlichkeit und Barbarei, hier wurde in kleinem Maßstab sichtbar, wie Menschen von den Nazis entwürdigt, gequält und misshandelt wurden. Das schreckliche Ende war nicht ohne Anfang – einer davon lag in Osthofen.

Der Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V. organisiert am Samstag, 22. September 2007, eine Besichtigung des ehemaligen Konzentrationslagers und der Gedenkstätte Osthofen – die Führung erfolgt durch den pädagogische Leiter der Gedenkstätte Heribert Fachinger. Nach der Führung gibt es Gelegenheit, die kürzlich neu gestaltete Dauerausstellung über das KZ Osthofen zu besuchen: Informationen über die Häftlinge, die Lagerleitung und Wachmannschaften, den Häftlingsalltag und das Lager für verschärften Arrest werden ergänzt durch die Biographien des wohl bekanntesten Häftlings, Carlo Mierendorff, und der berühmten Schriftstellerin Anna Seghers, die dem KZ in ihrem Buch „Das siebte Kreuz“ ein literarisches Denkmal setzte. Weitere Schwerpunkte der Ausstellung sind Verfolgung und Widerstand in der NS-Zeit in der Region sowie das SS-Sonderlager/KZ Hinzert.

i Besichtigung der KZ-Anlage Osthofen und der Ausstellung der Gedenkstätte, Ziegelhüttenweg 38, 67574 Osthofen
Samstag, 22. September 2007, 14:00 Uhr (Beginn der Führung)
Anfahrt mit PKW ab Parkplatz Melibokushalle Zwingenberg, Abfahrt 13:00 Uhr – Rückkehr ca. 17:00 Uhr
Anmeldung erforderlich unter Tel. 06251-72171 oder info@arbeitskreis-zwingenberger-synagoge.de

Beeindruckende Exkursion zur Gedenkstätte „KZ Osthofen

Auf Einladung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge und des Arbeitskreises ehemalige Synagoge Leutershausen kamen 31 Interessierte am 22. September 2007 in der Gedenkstätte KZ Osthofen zusammen. Der pädagogische Leiter Heribert Fachinger gab zunächst einige Basisinformationen zur Geschichte des ersten KZ-Lagers in Hessen (März 1933-Juli 1934), zu seiner Struktur, zur damaligen Berichterstattung über das KZ und vieles mehr. Danach entspann sich eine lebhafte Diskussion – ein herausragender Punkt hierbei war die Nachkriegsgeschichte des Lagers: Welche Haltung hatten die Bevölkerung und die lokalen Institutionen zur Errichtung einer Gedenkstätte? Wie kam es endlich zur Realisierung? Die Diskussion musste nach 1 ½ Stunden leider beendet werden, da die Besucher ja noch einiges in der Gedenkstätte sehen sollten.

Zunächst führte Heribert Fachinger in eine riesige Halle, die den Gefangenen als Schlafstätte und Aufenthaltsraum dienen musste. Bei spätsommerlich hohen Temperaturen am Besuchstag war es in der Halle merklich kühl; man konnte sich vorstellen, wie die Häftlinge litten, hier zunächst mit wenig Stroh direkt auf den Betonboden schlafen zu müssen. Später bauten sie sich doppelstöckige Holzpritschen; als es kälter wurde, bekamen sie zu ihrem Strohsack lediglich eine Wolldecke. Viele Häftlinge litten weiterhin unter der Kälte und holten sich zum Teil lebenslang anhaltende Leiden.
Fast noch schlimmer als die Unterbringung waren die hygienischen Verhältnisse. Fachinger berichtete von drei Wasserhähnen, an denen sich die vielen Gefangenen mit etwas Sand und Wasser, manchmal auch mit einem kleinen Klacks Schmierseife, reinigen durften. Zu der Kälte, der schlimmen hygienischen Situation und auch dem Hunger kamen alltäglicher Terror, Misshandlungen und Schikanen. So wurden beispielsweise jüdische Gefangene in einem Drahtverhau, der so genannten „Arena“, stundenlang im Kreis herumgehetzt, bevor man sie zusammenschlug. Der fast zwei Meter große frühere Wormser Polizeipräsident Maschmeyer wurde gezwungen, mit einem Besen mit abgesägtem Stiel den Hof des Lagers zu fegen. Der Reichstagsabgeordnete und Pressesprecher des sozialdemokratischen Innenministers Wilhelm Leuschner, Dr. Carlo Mierendorff, musste tagelang Nägel gerade klopfen, die Mithäftlinge eigens krumm schlagen mussten…

Ein Besuch der erweiterten und neu gestalteten Multimedia-Dauerausstellung zum KZ Osthofen - eingebettet in die Darstellung der Geschichte der NS-Zeit - bildete den Abschluss der Exkursion. Zahlreiche Ton- und Filmdokumente – an verschiedenen Orten der Ausstellung präsentiert - ergänzten eine Vielzahl von Schautafeln, großformatigen Bildern und Kopien von Originaldokumenten. Leider war die verbleibende Zeit zu kurz, um sich alle diese Dokumente im Detail anzusehen – deshalb waren sich viele der Exkursionsteilnehmer einig, dass man die Gedenkstätte nochmals aufsuchen wird.

Fazit zur Exkursion: Viele sehr beeindruckende, detaillierte Informationen über ein leider fast vergessenes KZ-Lager zu Beginn der NS-Zeit zusammen mit einer sehr wichtigen „Erfahrung“ in dem Schlaf- und Aufenthaltsraum der Häftlinge.

i Öffnungszeiten der Gedenkstätte (Stand September 2007):
- Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag 9-13 und 14-17 Uhr
- Mittwoch 9-12 Uhr
- an Wochenenden und Feiertagen 13-17 Uhr
- Einlass bis eine halbe Stunde vor Schließung
Weitere Informationen: www.ns.dokuzentrum-rlp.de

zurück