Mascha Kaléko

7. Lesung unter den Linden
Sonntag, 10. Juli 2011 um 17:00 Uhr in der Evang. Kirche in Zwingenberg/Bergstraße

Elisabeth Förster
, Rezitatorin wird die Gedichte der Lyrikerin Mascha Kaléko eindrücklich präsentieren und rezitieren und uns so mit dem Leben von Mascha Kaléko vertraut machen.
Gisela Zoch-Westphal schreibt 2003 „..die selbstironischen Verse sind charakteristisch für diese Dichterin vom Orden der "lustig hüpfenden Träne", den Paul Klee einst gern gegründet hätte und dessen jüngste Repräsentantin in jenen Jahren des Kurt Tucholsky, Walter Mehring und vieler anderer Mascha Kaléko war. Sie weiß auf alles eine Antwort, Laufmaschen, Halsweh, Eifersucht und billige Cafés – nichts ist ihr fremd. Sie ist eine Philosophin der kleinen Leute, vergaloppiert sich nie.“
Mascha Kaléko, geb. am 7. Juni 1907 in Schidlow, Tochter eines russischen Vaters und einer österreichischen Mutter, gehörte 1933 in Berlin zum Kreis der schöpferischen Boheme, die sich das "Romanische Café" zum Treffpunkt erkoren hatte. 1938 standen ihre Bücher auf der "Liste des unerwünschten Schrifttums". Sie verlies Deutschland und emigrierte nach New York. 1966 zog sie in das "Land ihrer Väter" nach Israel und von dort reiste sie einmal im Jahr nach Europa. Am 21. Januar 1975 stirbt sie in Zürich.
Der Vortrag von Elisabeth Förster wird eine Mischung aus Witz und Melancholie, Aktualität, Ironie und Schärfe sein. Sie wird uns teilhaben lassen an den Gedichten der Mascha Kaléko, wie diese in ihrer unnachahmlichen Art ihr Freude, Einsamkeit, Lebenslust und Trauer zum Ausdruck bringt.

Karen Schäfer, Saxophonistin wird mit ihrer Musik den Gedichten eine ganz besondere Note geben.
Sie studierte Musikwissenschaft und Germanistik. Karen Schäfer ist auch als Komponistin und Arrangeurin tätig und schreibt Titel für ihre eigene Band "Zwischenstation". Sie spielt bei der renommierten Frankfurter Salsa-Formation "Salsa Verde", dem "Django Reinhardt Orchester" und tourte mit Wil Saldens "Glenn Miller Orchestra". Zu hören ist sie derzeit vor allem in kleineren Formationen von Duo bis Quintett sowie in der international besetzten Band "Appleton".

Veranstalter: Projektgruppe „Offene Kirche“ der evangelischen Kirchengemeinde Zwingenberg in Kooperation mit dem Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge.
Eintritt frei, um eine Spende wird gebeten.

Artikel des Bergsträßer Anzeiger vom 14. Juli 2011

Scharfsinnig, witzig - und melancholisch
Lesung unter den Linden: Elisabeth Förster rezitierte auf eindrucksvolle Weise Gedichte der Lyrikerin Mascha Kaléko

Zwingenberg. "Was ich auch brau' in meinem Dichterkopf, stets schüttelt Janus einen halben Kopf. Denn, was einst war, das stimmt uns meistens lyrisch, doch das, was ist, zum größten Teil satirisch," kommentierte Mascha Kaléko ihr lyrisches Werk. Die Exilliteratin, die oft mit Tucholsky, Ringelnatz, Kästner oder Brecht in einem Atemzug genannt wird, zeigt "in einer unnachahmlichen Mischung von Poesie und Witz zwischen den Zeilen - wie ein Wasserzeichen - ihre hoffnungslose Heimatlosigkeit." So beschrieb die Schauspielerin und Nachlassverwalterin Gisela Westphal-Zoch die Verse der Schriftstellerin. Im Rahmen der Reihe "Offene Kirche" der Evangelischen Kirchengemeinde Zwingenberg zeichnete Elisabeth Förster anhand von Gedichtrezitationen das Leben von Mascha Kaléko nach.

Karen Schäfer setzte mit dem Spiel auf dem Saxofon zusätzliche stimmungsvolle Akzente. Eigentlich sollte die "Lesung unter den Linden" unter freiem Himmel vor der Bergkirche mit Blick auf die Dächer der Altstadt stattfinden. Auf dieses Ambiente mussten die Besucher allerdings verzichten: Das Wetter zeigte sich von der launischen Seite. So genossen die zahlreichen Zuhörer im Innenraum der Bergkirche die Poesie, die eine Brüchigkeit im gesellschaftlichen, und damit individuellen Leben spiegelt.

Ins Unbekannte aufbrechen
Mascha Kaléko musste oft in ihrem Leben die Zelte abbrechen und sich ins Unbekannte aufmachen. Schon als Kind. Im "Interview mit mir selbst" spricht sie über ihren galizischen Geburtsort von "einer kleinen, klatschbeflißnen Stadt, die eine Kirche, zwei bis drei Doktoren und eine große Irrenanstalt hat."
1914 verließ sie als Golda Malka Aufen mit ihren Eltern und ihrer Schwester ihren Heimatort Chrzanów im heutigen Polen. Dort kam sie als Tochter eines russischen Vaters und einer österreichischen Mutter 1907 zur Welt. Nach Zwischenstationen in Frankfurt und Marburg kam die Familie schließlich 1918 in Berlin an und ließ sich im Scheunenviertel, dem Zentrum der Ostjuden, nieder.
Ab 1930 veröffentlichte Kaléko in verschiedenen Berliner Tageszeitungen kleine Gedichte und Verse, die sogar dem renommierten Thomas Mann positiv ins Auge fielen. Schon bald gehörte sie dem Kreis der schöpferischen Boheme an und traf sich im Romanischen Café mit Tucholsky, Ringelnatz, Klabund, Lasker-Schüler, Mehring oder Kästner. In Alltags- und Beziehungsgedichten schlug sie einen liebevoll-bissigen wie ironischen Ton an, den Thomas Mann als eine "aufgeräumte Melancholie" charakterisierte.
Anfang der 30er Jahre erschien der Gedichtband "Das lyrische Stenogrammheft", der zu einem ersten großen Erfolg wurde. Elisabeth Förster zitierte einige Gedichte, die die Aufbruchsstimmung der Weimarer Republik im Spiegel der Neuen Sachlichkeit zeichnen.
In den schnörkellos verfassten Versen lässt Kaléko die tiefe Verwurzelung zu "ihrem" Berlin erkennen. In erfrischenden, spritzigen und mit leichter Ironie versetzten Sprachbildern fängt sie die Vielschichtigkeit des Lebens in der Metropole ein. Die Poesie der Kaléko ist durchaus "kantig" im Ton, aber scharfsinnig im Gedankengang. Sie mischt Sentiment mit Schnoddrigkeit, melancholische Weltsicht wechselt mit raschem Witz.

Elisabeth Förster untermalte ihren Vortag mit einer prägnanten Stimmführung wie auch Gestik. Eine Fundgrube war für sie der Band "Kleines Lesebuch für Große". Unter den köstlichen Karikaturen sind scharf umrissene Miniaturen von möblierten Herren, unglücklichen Mannequins und selbstzufriedenen Berliner Piefkes, denen Mascha Kaléko ihren Traum vom "kleinen Glück" entgegensetzte.

Mit 21 Jahren heiratete die Lyrikerin den Philologen Saul Kaléko. Später verliebte sie sich in den Dirigenten und Komponisten Chemjo Vinaver und heiratete ihn. 1938 kehrte sie zwangsweise Berlin den Rücken. Der Faschismus entzog der geistigen Intelligenz den Boden für ein Gedankengut, das nicht im Gleichschritt der Nazis marschierte. Auch Mascha Kaléko zählt zu denen, die vor der braunen Gefahr fliehen mussten.
Mit Mann und Sohn emigrierte sie in die USA. Hier verdiente sie ihr tägliches Brot durch Übersetzungen und Schreiben von Reklamesprüchen. Sie dichtete nur noch nebenbei. Zusehends verdrängen melancholische Züge die feine Ironie. Im "Immigranten-Monolog" spricht Kaléko von der "Vertreibung eines Dichters aus seiner Sprache". moni

Bergsträßer Anzeiger
14. Juli 2011

Ein Leben mit vielen Schicksalsschlägen

Viele der Gedichte von Mascha Kaléko sind voller Heimweh, wie etwa der Zyklus "Die Tausend Jahre", in dem sie ihre Exilerfahrungen kritisch-satirisch verarbeitet. Im "Emigrantenmonolog" schrieb sie in Anlehnung an Heinrich Heine: "Ich hatte einst ein schönes Vaterland, so sang schon der Flüchtling Heine. Das seine stand am Rheine, das meine auf märkischem Sand".
Mitte der 50er Jahre betrat sie erstmals wieder europäischen Boden. "Als ich Europa wiedersah - nach jahrelangem Sehnen, als ich Europa wiedersah, da kamen mir die Tränen." In ihrem Gedicht "Deutschland, ein Kindermärchen" blickt sie zurück auf ein beschädigtes Dichterleben.

In der Bundesrepublik setzte in den 50er Jahren eine regelrechte Kaléko-Renaissance ein. Doch ihrem Mann zuliebe siedelte sie Anfang der 60er Jahre nach Jerusalem, dort fand er eine gute Basis, um großartige Erfolge mit seiner chassidischen Musik zu feiern. Mascha Kaléko fühlte sich keineswegs in Israel gut aufgehoben. Hinzu kamen schwere Schicksalsschläge. 1968 starb ihr hochtalentierter Sohn, der schon als Student mit mehreren Literaturpreisen in den USA ausgezeichnet worden war.
Ihren tiefen Schmerz brachte sie in "Elegie für Steven" zum Ausdruck. 1973 verschied ihr Mann, und vierzehn Monate später, kurz vor ihrem geplanten Umzug nach Deutschland, am 21. Januar 1975 verstarb auch sie - in einem Züricher Hotel auf der Reise nach Berlin. moni

Bergsträßer Anzeiger
14. Juli 2011

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