Janucz Korczak

Janusz Korczak, 1878 in Warschau als Henryk Goldszmit geboren, 1942 in Treblinka ermordet, war kein Professor und hatte niemals einen Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft inne, war als polnischer Erzieher jüdischer Herkunft für zerschlagene Scheiben, zerrissene Handtücher, schmerzende Zähne ... für Tränen, für Lachen, für Schlaf zuständig. Es gibt Gründe genug, über 70 Jahre nach seinem Tod an der Seite seiner ihm anvertrauten Kinder, sich seiner Person, seiner fröhlichen Pädagogik der Achtung und des Respekts gegenüber Kindern und Erwachsenen zu erinnern.
„Ich fordere die Magna Charta Libertatis als ein Grundgesetz für das Kind. Vielleicht gibt es noch weitere, aber diese drei Grundrechte habe ich herausgefunden: 1. Das Recht des Kindes auf seinen Tod. 2. Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag. 3. Das Recht des Kindes zu sein, was es ist.„ (J. Korczak, 1918)
Janusz Korczak, gehört zu den wenigen Lehrern der Menschheit, die ihre humanistisch-pädagogische Botschaft nicht nur verkündeten, sondern auch mit ihrem gelebten Leben bestätigten.

Artikel des "Bergsträßer Anzeiger" vom 25. November 2014

Ein berührender Abend über Janusz Korczak
AK Synagoge und Offene Kirche: Pfarrer Joachim Dietermann über den vermutlich im KZ Treblinka vergasten Pädagogen und Arzt

Zwingenberg. "Ich wünsche niemandem etwas Böses. Ich kann das nicht. Ich weiß nicht, wie das geht." So lautet die letzte Eintragung, die Janusz Korczak am 4. August 1942 in sein Tagebuch gemacht hat. Am 5. August wurde der Arzt und Pädagoge mit den Kindern seines Waisenhauses im Warschauer Ghetto verhaftet und vermutlich im Konzentrationslager Treblinka vergast. Angebote zur Rettung hatte er ausgeschlagen - - er zog es vor, den ihm anvertrauten Kindern bis in den Tod beizustehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Korczak vor allem wegen dieser märtyrerhaften Haltung verehrt. Im Hintergrund blieb dabei über lange Zeit seine Bedeutung als Kinderbuchautor und Pädagoge mit hochmodernen Ansichten, die seiner Zeit weit voraus waren.

An diese Seite des Verfechters einer "Fröhlichen Pädagogik" erinnerte eine Veranstaltung mit Joachim Dietermann, Pfarrer im Ruhestand aus Seeheim-Jugenheim, in der evangelischen Kirchengemeinde Zwingenberg. Der Abend war im Hinblick auf den 20. November, dem 25. Jahrestag der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention, in der Reihe der "Lesungen unter den Linden" von Irmgard Wagner und Renate Weber ("Offene Kirche") sowie Dr. Fritz Kilthau vom Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge organisiert worden.

Wie man ein Kind lieben soll
Für Joachim Dietermann ist Janusz Korczak seit vielen Jahren ein wichtiges Vorbild, wie er einleitend erklärte, genauer gesagt, seit der Geburt seines ersten Kindes 1972, dem Jahr, in dem Janusz Korczak posthum der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen worden war, und Dietermann unter anderem dessen Schrift "Wie man ein Kind lieben soll" in die Hände bekam.

Zum Lebensinhalt geworden
Seitdem sind viele Bücher dazu gekommen, nicht zuletzt die 16-bändige Gesamtausgabe, in der, wie auch in einigen Kinder- und Bilderbüchern, im Rahmen der Veranstaltung geblättert werden konnte. Er habe keine Ratgeber schreiben wollen, sondern die eigenen Gedanken des Lesers anregen, zitierte Dietermann den 1878 oder 1879 in einer wohlhabenden Warschauer Familie geborenen Arzt, der 1912 die Leitung eines jüdischen Waisenhauses übernahm, eine Tätigkeit, die zu seinem Lebensinhalt wurde.

Korzcaks Überzeugung: Ein Kind ist ebenso wertvoll, wie eine Erwachsener, man ist jedem Kind Respekt schuldig. Lange vor den Vereinten Nationen verfasste Korzcak seine Magna Charta Libertatis, ein Grundgesetz für das Kind, darin verankert dessen "Recht auf seinen Tod", "Recht auf den heutigen Tag" und das "Recht, zu sein, was es ist". Um die Kinder vor der Willkür der Erwachsenen zu schützen und ihre Rechte durchzusetzen, erachtete Korzcak deren institutionelle Verankerung für unabdingbar.

In seinem Waisenhaus, so berichtete Dietermann, gab es ein Gericht, vor dem sich Kinder und Erwachsene verantworten mussten, auch er selbst. Als Richter seien jede Woche fünf Kinder per Los bestimmt worden, gegen die gerade kein Verfahren anhängig gewesen sei.

Fröhliche Pädagogik
Die "Fröhliche Pädagogik" forderte aber auch, den Kindern zu erlauben, Fehler zu machen, zu rennen und zu lachen. Im Programm des Waisenhauses seien auch besondere Tage verankert gewesen, wie etwa der "Tag des Schmutzfinks", an dem man sich nicht zu waschen brauchte. Die Losung für den 21. Dezember lautete: "Es lohnt sich nicht, aufzustehen - der Tag ist einfach zu kurz. Wer möchte, kann den ganzen Tag im Bett bleiben." Mit einer Lesung aus "Blumkas Tagebuch", einem Bilderbuch, das auf dem Tagebuch eines Waisenmädchens aus Korzcaks Institut beruhte und den Alltag dort beschreibt, ergänzte Joachim Dietermann seine sehr persönliche und eindringliche Schilderung.

Der Vortrag war in mehrere Teile untergliedert. Dazwischen spielten die freiberufliche Blockflötistin Hildrun Wunsch und Monika Hölzle-Wiesen, Kirchenmusikerin in Jugenheim und in Auerbach, eine speziell für diesen Abend arrangierte Auswahl von Klezmermusik.

Passender hätte die traurige und zugleich fröhliche Stimmung des Vortrags kaum unterstützt werden können. Dabei war die Musik mehr als eine Untermalung, sondern ein eigenständiger, virtuos vorgetragener Programmteil, bei dem nicht zuletzt die für Klezmermusik ungewöhnliche Instrumentierung beeindruckte: Die singenden, teilweise schluchzenden Melodien wurden an diesem Abend auf dem Flügel und auf verschiedenen Flöten, von der Helder Tenor- bis zur Sopranino-Blockflöte gespielt. Ein sehr berührender Abend. eba

© Bergsträßer Anzeiger, Dienstag, 25.11.2014

Vom Recht auf Achtung und Respekt - Eine Erinnerung an Janusz Korczak

Joachim Dietermann brachte dem Publikum einfühlsam und humorvoll die pädagogischen Grundsätze Janusz Korczaks nahe. Es war zu spüren, wie beeindruckt Dietermann von diesem polnischen, jüdischen Kinderarzt war, der für ihn einer seiner großen Vorbilder ist. Korczak erhielt 1972 posthum den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und seine Grundrechte für Kinder flossen in die UN-Kinderrechte - Charta 1989 ein.

Dietermann berichtete von dem Leben Korczaks in seinem Waisenhaus mit hundert jüdischen Kindern (ab 1912), wie er 1940 mit den Kindern ins Warschauer Ghetto ziehen musste und mit allen Kindern und seiner treusten Mitarbeiterin, Josepha, gemeinsam ins KZ gebracht und umgebracht wurde.

Augenzwinkernd konnten wir hören, wie Korczak humorvoll und konsequent das Zusammenleben im Kinderhaus leitete. Dabei war ihm bei allen Entscheidungen, die es zu treffen galt, die gemeinsame Verantwortung in dem gegründeten Kinderparlament ausschlaggebend.

Mit drei seiner Grundrechte wurden wir vertraut gemacht:Das Recht des Kindes auf seinen Tod.Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag.Das Recht des Kindes zu sein, was es ist.Diese drei Grundrechte zeigen, dass Korczak die Kinder mit ihren Stärken ernst nahm und sie unterstützte; wie er die Kinder hineinnahm in die Gestaltung ihres Tages und wie er die Kinder respektierte das zu sein, was sie sind.

Begleitet wurden die verschiedenen Abschnitte der Lesung durch die heiter bewegten, mitreißenden und emotional beeindruckenden musikalischen Stücke der beiden Musikerinnen: Hildrun Wunsch, Blockflöten und Monika Hölzle-Wiesen, Piano. Sie nahmen uns hinein in eine musikalische Interpretation der Werke, wie Uri Tzion, Zemer Atih, Sher, Bulgar from Odessa, Dance oft Delight, Shabat Schalom und Rezhinhes mit Mandlen. Mit hoher Perfektion beeindruckten die beiden Künstlerinnen und setzten mit ihrer Musik Akzente, die es zuließen, dem zuvor Gehörten nachzuspüren.

Es war ein anregender Abend, der zum Nachdenken aufforderte und uns vorbildhaft eine Pädagogik nahe brachte, die noch heute für pädagogische Konzepte richtungweisend sind.

"Ich wünsche niemandem etwas Böses. Ich kann das nicht. Ich weiss nicht, wie man das macht." (Aus Korczaks letzter Eintragung in sein Tagebuch, am 4.8.1942)

Die Initatiorinnen der Projektgruppe „Offene Kirche“ der evang. Kirchengemeinde Irmgard Wagner und Renate Weber und der Vorsitzende des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge, Dr. Fritz Kilthau bedankten sich für den Abend und die Spenden für die Renovierung der Evang. Kirche.

Irmgard Wagner
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