Jüdische Feste - jüdischer Kalender

Jüdische Feste – jüdischer Kalender
Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge lädt zum Vortrag mit Dr. Esther Graf ein

Früher wurden auch in Zwingenberg viele Feste von der hiesigen jüdischen Gemeinde gefeiert: „Zwingenberg, 8. Okt. Unsere israelischen Mitbürger feiern am nächsten Montag, den 10. Oktober, eines ihrer bedeutendsten Feste, das ‚Versöhnungsfest’ “ – so schrieb beispielsweise der „Bergsträßer Bote“ 1932 über die Begehung von „Jom Kippur“ in Zwingenberg. Religiöse Feiertage – bei Juden wie auch Christen - erinnern an herausragende Ereignisse ihrer Religionsgeschichte und deren Bedeutung für die Gläubigen. Aber auch Erntedank und die Reflektion über das eigene moralische und religiöse Verhalten im abgelaufenen Jahr spielen eine große Rolle.

Frau Dr. Esther Graf (Agentur für jüdische Kulturvermittlung, Mannheim/Heidelberg) wird auf Einladung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge am Dienstag, 8. Juli 2014, ab 19:30 Uhr im Saal der katholischen Pfarrgemeinde Zwingenberg von den wichtigsten jüdischen Festen berichten: Das jüdische Jahr beginnt mit dem Neujahrstag „Rosch haSchana“ (hebräisch „Haupt des Jahres“) mit dem Wunsch „Schana tova“ – ein gutes Jahr! Zusammen mit dem kurz danach gefeierten „Jom Kippur“ bildet er die Hohen Feiertage des Judentums, insgesamt zehn Tage der Reue und Umkehr. Es folgen das Laubhüttenfest „Sukkot“, ein siebentägiges Erntedankfest, und dann im Frühjahr das „Pessach-Fest“ zur Erinnerung an die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Sieben Wochen später wird „Schawuot“ gefeiert, ein Feiertag in Gedenken an den Empfang der zehn Gebote Gottes durch Moses am Berg Sinai. Weitere wichtige Feste sind „Purim“ in Erinnerung der Errettung des jüdischen Volkes im alten Persien und „Chanukka“ im Gedenken der Wiedereinweihung des jüdischenTempels in Jerusalem 164 v. Chr.. Interessant sind die vielen Bräuche, die an den jüdischen Feiertagen gepflegt werden. Beispielsweise errichten religiöse Juden zum Laubhüttenfest eine Sukka, eine Laubhütte, in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, als die Israeliten in provisorischen Behausungen wohnen mussten. Diese mit Ästen, Stroh oder Laub bedeckte Hütte kann im Garten, im Hof, auf dem Balkon oder auf dem Flachdach stehen. In ihr spielt sich während des Laubhüttenfest das normale Leben ab, man isst in ihr, manche Juden übernachten auch in der Laubhütte.

Eingebettet sind diese Feiertage in den jüdischen Kalender, einen lunisolaren Kalender – auch hierüber berichtet Frau Dr. Graf: Die Monate sind streng an den Mondphasen orientiert, die zwischen 29 und 30 Tagen wechseln. Damit der Kalender dem Jahreszeitzyklus entspricht, wird das normale zwölfmonatige Mondjahr durch diverse Schaltmonate modifiziert.

Im Anschluss des Vortrags lädt der Verein „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge“ zu seiner öffentlichen Jahreshauptversammlung ein.

i „Schana Towa! Durch das Jahr anhand des jüdischen Kalenders“
Vortrag von Dr. Esther Graf (Agentur für jüdische Kulturvermittlung, Mannheim/Heidelberg)
Dienstag, 8. Juli 2014, 19:30 Uhr im Saal der katholischen Pfarrgemeinde Zwingenberg
Veranstalter: Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.

Artikel des "Bergsträßer Anzeiger" vom 11. Juli 2014

Feiern im sechsten Jahrtausend

AK Synagoge: Vortrag über jüdische Festtage und Bräuche

Von unserem Mitarbeiter Thomas Tritsch

Die Jahreshauptversammlung ist für den Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge häufig mit einem Vortrag verbunden. Am Dienstag erläuterte Dr. Esther Graf von der Agentur für jüdische Kulturvermittlung in Mannheim die wichtigsten jüdischen Feste und Feiertage. Zahlreiche Gäste verfolgten eine informative wie unterhaltsame Reise durch den jüdischen Kalender, nach dem man sich bereits im Jahr 5774/75 befindet:

„Schana tova“
Gezählt werden die Jahre ab dem Zeitpunkt der biblischen Schöpfung der Welt, für die das Jahr 3761 vor Christus ausschlaggebend ist. Die Monate werden nach den Neumondphasen berechnet. Der jüdische und der gregorianische Kalender verlaufen versetzt, das jüdische Jahr beginnt drei bis vier Monate vorher.
Angefangen mit dem Neujahrstag Rosch ha-Schana, der im Herbst mit dem ersten Tag des siebten Monats Tischri im September oder Oktober gefeiert wird. Man wünscht sich „schana tova“ („ein gutes Jahr“), trägt weiße Kleidung und hüllt auch die Synagoge in reines Weiß. Die Menschen essen Äpfel und Honig, damit es ein „süßes“ neues Jahr wird. „Man hält Rückschau und zieht eine Bilanz des vergangenen Jahres“, so Esther Graf, eine promovierte Judaistin und Kunsthistorikerin, die sich als praktizierende Jüdin bereits während ihres Studiums mit dem interreligiösen Dialog beschäftigt hat.

Klingt nur schlimm
In Mannheim vertritt die gebürtige Wienerin die jüdische Gemeinschaft in der Alhambra-Projektgruppe, die Veranstaltungen mit Juden, Christen und Muslimen organisiert. Nach dem Posaunenruf zur inneren Einkehr – die Schofar, ist ein aus Widderhorn fabriziertes Musikinstrument – folgen die zehn „schrecklichen Tage“, was schlimmer klingt als es ist: Während der „Tage der Reue
und Umkehr“ soll man sich mit seinen Mitmenschen versöhnen, Streitereien beilegen und anderen vergeben. „Schrecklich“, weil eine ausgestreckte Hand nicht immer und für jeden einfach ist.
Den Abschluss der Reue bildet Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag zehn Tage nach Rosch ha-Schana. 25 Stunden wird gefastet. Vergnügungen, auch sexueller Art, sind an diesem Tag tabu. Streng religiöse Juden tragen an Jom Kippur keine Lederschuhe und kleiden sich in Weiß. Das öffentliche Leben ruht, Cafés sind geschlossen. Es gilt als unhöflich, in der Öffentlichkeit zu essen oder Musik zu hören. Auf den Straßen rollen nur Krankenwagen und Feuerwehr.

Leben in der Laubhütte
Am Rande erwähnt sei, dass Syrien und Ägypten am 6. Oktober 1973 den sogenannten Jom-Kippur-Krieg begannen, weil Israel an diesem Tag quasi gelähmt und damit auch extrem verwundbar war.
Fünf Tage nach dem Versöhnungstag Jom Kippur folgt Sukkot, ein siebentägiges Erntedankfest, das schon in der Tora erwähnt wurde. Ein fröhliches Fest, das daran erinnert, dass Israel einst als Nomadenvolk in der Wüste lebte und deshalb keinen Ernteertrag besaß. Um Anerkennung und Dank für Gottes Gaben ins Bewusstsein der Gläubigen zu bringen, lebt man für einige Tage in einer Laubhütte (Sukka). Sie ist aus Holz oder Zeltstoff gebaut und muss mindestens drei Wände besitzen. Mit Simchat Tora erfolgt ein neunter Festtag, dessen Name schon auf den Inhalt des Festes hinweist. Jeden Sabbat wird ein bestimmter Abschnitt aus der Tora gelesen. Im Laufe eines vollen Jahres werden alle fünf Bücher Mose vorgetragen, so Dr. Esther Graf in Zwingenberg.
Das Pessach-Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Nur als freies Volk konnte es die zehn Gebote Gottes durch Moses empfangen. Zur Festvorbereitung sämtliche gesäuerten Nahrungsmittel verzehrt, verschenkt oder verkauft und die übrigen in einem großen Hausputz entfernt.
Dies soll an die biblische Überlieferung erinnern, nach der die Israeliten Ägypten so rasch verlassen mussten, dass zum Säuern und Gären der Brote als Reisenahrung keine Zeit mehr blieb. Esther Graf hatte etwas Mazzot zum Probieren mitgebracht – das ist ein dünnes, nur aus Mehl und Wasser hergestelltes knuspriges Fladenbrot.

Religiöse Annäherung: „Weihnukka“
Einer der bekannten Feiertage ist Chanukka. Im Gedenken der Wiedereinweihung des jüdischen Tempels in Jerusalem 164 v. Chr. Die Familie kommt zusammen, Freunde werden eingeladen und die Kinder reich beschenkt, so Dr. Esther Graf von der Agentur für jüdische Kulturvermittlung in Mannheim beim AK Synagoge über den geselligen Charakter von Chanukka, das im Kalender orthodoxer Juden nur eine kleine Rolle spielt. Es handelt sich weder um einen hohen Feiertag aus der Tora noch um ein biblisches Fest.
Das Lichterfest, das immer im November oder Dezember am 25. Tag des Monats Kislew gefeiert wird, erinnert an den Aufstand der Makkabäer gegen den griechisch-stämmigen König Antiochus IV. Dieser hatte im Jahre 166 vor unserer Zeitrechnung den Jerusalemer Tempel entweiht und die Ausübung der jüdischen Religion untersagt. Die Geschichte sagt weiter, dass man in
dem geschändeten Tempel nur einen einzigen, unversehrten Ölkrug fand.
Die Menora, der siebenarmige Leuchter im Tempel, sollte aber niemals erlöschen. Weil der geringe Rest reinen Öls das Licht im Tempel nicht wie erwartet einen, sondern acht Tage – bis zur Herstellung geweihten reinen Öls – brennen ließ, wird zu Chanukka acht Tage lang täglich jeweils eine neue Kerze entzündet.
Durch die zeitliche Nähe zum christlichen Weihnachtsfest ist Chanukka sehr populär geworden. Auch Geschenke gehören mittlerweile fest zum Fest dazu. Der Begriff „Weihnukka“ sagt alles. In der Vermischung religiöser Traditionen sieht Graf aber keine Verwässerung jüdischer Traditionen, sondern eher eine Form von interreligiöser Annäherung.
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