IG Farben-Konzern

Der IG-Farben-Konzern: Kriegsindustrie und Massenmord
Arbeitskreis „Zwingenberger Synagoge„ lud zum Besuch der ehemaligen Machtzentrale der IG Farben auf dem Campus Westend der Goethe-Universität ein

Der IG-Farben-Konzern war auf mehrfache Weise in die Vernichtungsmaschinerie des Nazi-Regimes verstrickt, gelenkt wurden diese Aktivitäten aus der Frankfurter Verwaltungszentrale des Unternehmens. Bei einem Rundgang durch dieses 250 m lange Gebäude und zum Norbert Wollheim-Memorial informierte Ulrike Jaspers-Kühnhold, stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge, über Details der Kooperation zwischen IG-Farben und Nazi-Staat. Die eineinhalbstündige Führung fand am 18. August (Samstag) statt.

Mit den IG-Farben entsteht 1925 das größte Chemieunternehmen der Welt. Für dieses gigantische Unternehmen, zu dem u.a. Hoechst, Bayer und BASF gehören, entwirft der Architekt Hans Poelzig Ende der Zwanziger Jahre ein repräsentatives Verwaltungsgebäude in Frankfurt. Seit 2001 nutzen die Goethe-Universität und das Fritz-Bauer-Institut das Gebäude.

Einige Details zur Zusammenarbeit zwischen dem IG-Farben-Konzern und den Nationalsozialisten, die über eine Million Opfer unter Juden und politisch Andersdenkenden forderte:
- IG-Farben baut zusammen mit der SS ein eigenes KZ in der Nähe von Auschwitz auf.
- Die Marburger Behringwerke, eine Tochter der IG-Farben, liefert Fleckfieberimpfstoff an das Hygiene-Institut der Waffen-SS, der in medizinischen Experimenten – häufig mit tödlichem Ausgang – an KZ-Häftlingen in Buchenwald getestet wird.
- Die Firma Degesch (Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung), an der IG-Farben mit mehr als 40 Prozent beteiligt ist, produziert Zyklon B, das allein in den Gaskammern von Auschwitz eine Million Menschen tötet.

Ab 1933 avanciert der IG-Farben-Konzern zu einem der Hauptgeldgeber der NSDAP, die Konzernspitze wird zügig „arisiert„, viele jüdische Manager verlieren ihre einflussreiche Position. Für Hitlers Kriegsmaschinerie, die bereits mit dem Vierjahresplan von 1936 initiiert wird, gewinnt die chemische Industrie zunehmend an Bedeutung; besonders forciert wird die Erzeugung von synthetischem Kautschuk, um von Import-Rohstoffen unabhängig zu werden. Nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1938 verleiben sich die IG-Farben-Manager die chemische Industrie Osteuropas ein.

Im Februar 1941 entscheidet der IG-Farben-Vorstand, nahe Auschwitz eine Buna-Kautschuk- und Treibstoff-Fabrik zu bauen – daneben errichtet die IG-Farben in Kooperation mit der SS das Konzentrationslager Buna/Monowitz (Auschwitz III); zwischen 20.000 und 25.000 Menschen, die auf der Baustelle arbeiten müssen, kommen bis zur Aufgabe des KZ im Januar 1945 um. Einer der wenigen Überlebenden ist Norbert Wollheim, seinen Namen trägt das Memorial vor dem IG-Farben-Haus, in dem auch darüber informiert wird, wie lange es dauerte, bis die Überlebenden entschädigt wurden. Die wegen Kriegsverbrechen angeklagten Vorstände der IG-Farben werden in den Nürnberger Prozessen zwar zu Gefängnisstrafen verurteilt, aber bereits 1951 ungeachtet heftiger Proteste der Opferverbände vom Hohen Kommissar der alliierten Siegermächte begnadigt.
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Im Frankfurter IG-Farben-Haus auf dem Campus Westend der Goethe-Universität beleuchtet eine ständige Ausstellung die Geschichte dieses Gebäudes. Foto: Uwe Dettmar.

Die Besuchsgruppe vor dem ehemaligen IG-Farben-Haus (Zweite von rechts Ulrike Jaspers-Kühnhold)
Copyright: Richard Storch, Bensheim

Besuchsbericht des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge:

Wie die IG Farben den Nazi-Staat förderten
Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge organisierte Besuch der ehemaligen Machtzentrale des Chemie-Giganten in Frankfurt

Zwingenberg/Frankfurt.
Die prächtige Eingangshalle des IG-Farben-Hauses in Frankfurt lässt nicht erahnen, welche verhängnisvollen Entscheidungen für Millionen von Menschen in diesem Gebäude während der Nazi-Zeit gefällt wurden. Doch das Foto des Cassella-Chefs und Aufsichtsratsmitglieds der IG-Farben Arthur von Weinberg, der 1937 einsam und zum letzten Mal die Marmortreppe hinauf ging und wenig später wegen seiner jüdischen Herkunft ins KZ Theresienstadt verschleppt wurde, wirft in eindringlicher Weise ein Licht auf den Einfluss der Nazis im IG-Farben-Konzern. Ulrike Jaspers-Kühnhold hatte dieses Foto an den Anfang ihrer Führung zum Thema „Der IG-Farben-Konzern: Kriegsindustrie und Massenmord“ gestellt. An dieser Veranstaltung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge am vergangenen Samstag nahmen fast 30 Personen von der Bergstraße teil.

Sie besuchten auch die Sitzungssäle in dem 1930 fertig gestellten 250m langen Hochhaus, von wo aus die Führungsriege den größten deutschen Industrie-Komplex lenkte – heute sind es Veranstaltungsräume der Goethe-Universität, deren geisteswissenschaftliche Fachbereiche dort 2001 ebenso wie das Fritz-Bauer-Institut zur Erforschung des Holocaust eingezogen sind. Viele verbinden mit den IG Farben Zyklon B, mit dem Millionen wehrloser KZ-Häftlinge vergast wurden. IG Farben war ebenso wie Degussa mit 42,5 Prozent an der Firma Degesch beteiligt, die das Gift zunächst als Schädlingsbekämpfungsmittel entwickelt hatte. Wenigen war bekannt, dass die Nachfolgefirma namens Detia-Degesch in Laudenbach heute noch „Vorratsschutzmittel“ produzieren.

Der Ehrenbürger der Stadt Frankfurt und Mäzen Arthur von Weinberg, der sich übrigens 1914 aktiv für die Gründung der Frankfurter Universität einsetzte, gehörte zu dem großen Kreis von Industriellen jüdischer Herkunft, die im Verwaltungs- und Aufsichtsrat der IG Farben insbesondere in der Gründungsphase nach 1925 die Richtung mitbestimmten und die von der neuen, NSDAP geprägten IG Farben-Führung aus ihren Ämtern entlassen wurden.

Wie Ulrike Jaspers-Kühnhold in ihrem Vortrag deutlich machte, sind IG Farben und Nazis 1933 schnell eine strategische Kooperation zum gegenseitigen Vorteil eingegangen: „Die Nazis wollten Deutschland vom Rohstoff anderer Länder unabhängig machen und von Anfang an die Rüstungswirtschaft fördern. Die IG Farben konnten die Herstellung von synthetischem Kautschuk und synthetischem Benzin aus verflüssigter Kohle voranbringen, weil die Regierung die Abnahme der Produkte garantierte.“ Ihren Hauptauftraggeber stützten die IG Farben mit erheblichen Zuwendungen: So überwiesen sie am Tag nach dem Reichstagsbrand 400.000 Reichsmark an den NSDAP-Wahlfonds – „das entspricht dem Monatslohn von 1600 Facharbeitern“, so Jaspers. Bis Ende des Zweiten Weltkriegs beliefen sich die Loyalitäts- und Bestechungsgelder der IG Farben auf fast 40 Millionen Reichsmark.

Die Journalistin, auch zweite Vorsitzende des Synagogen-Vereins, ließ in ihrem Vortrag keinen Zweifel daran, dass Carl Bosch, Nobelpreisträger und bis 1935 Vorstandsvorsitzender der IG Farben, diese Zahlungen missbilligte, sich aber nicht durchsetzen konnte. Sie schilderte ein Zusammentreffen von Bosch und Hitler 1933: Dabei wies Bosch auf die Relevanz der jüdischen Forscher für den industriellen Fortschritt. Das interessierte Hitler nicht, er rief daraufhin nach der Ordonanz – mit den Worten „Der Herr Geheimrat wünscht zu gehen.“ Boschs Kommentar zu diesem Treffen: „nutzlos und zwecklos.“

Die IG Farben expandierten nach dem Überfall auf Polen Richtung Osteuropa. Als deutsche Arbeitskräfte wegen des Kriegseinsatzes rar wurden, ersannen die Industriemanager die Idee, in Monowitz in der Nähe des Konzentrationslagers Auschwitz eine Fertigungsstätte zu errichten. Eine Einigung mit der KZ-Lagerkommandantur war schnell gefunden, 1942 wurde sogar ein eigenes KZ mit dem Namen Buna-Monowitz neben dem Werksgebäude gebaut. Die KZ-Häftlinge, überwiegend jüdischer Herkunft, mussten unter extremen Bedingungen das Werk aufbauen, das nie die Produktion von synthetischem Benzin aufnahm. Zwischen 20.000 und 25.000 Menschen kamen dort zu Tode. Die wenigen 1947 in Nürnberg angeklagten Verantwortlichen der IG Farben kamen mit geringen Strafen davon. Die Vortragende erläuterte, wie in der Forschungsliteratur der Einfluss des Kalten Krieges auf die milden Urteile beurteilt wird.

Die Opfer mussten sich ihre Rechte in gerichtlichen Auseinandersetzungen ab 1953 sehr hart erkämpfen. Norbert Wollheim, nach dem inzwischen das Memorial für die KZ- und Zwangsarbeiter und der Platz vor dem IG Farben-Haus benannt sind, erstritt in seinem Musterprozess in erster Instanz 10.000 DM Schadensersatz für die zweijährige Zwangsarbeit in Buna-Monowitz. Das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt endete mit einem Vergleich zwischen Wollheim und der Jewish Claims Conference einerseits und den IG-Farben Nachfolge-Firmen, so dass 30 Millionen DM an die KZ-Opfer und Zwangsarbeiter gezahlt werden mussten. „Dieser außergerichtliche Vergleich wurde übrigens im kollektiven Gedächtnis der westdeutschen Wirtschaftseliten mit erwiesener Unschuld gleichgesetzt“, so die Referentin.
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