Bücherverbrennung 1933

Literatur auf dem Scheiterhaufen – Bücherverbrennung und NS-Verfolgung von Autoren
Vortrag der Historikerin Jutta Zwilling – Veranstaltung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge

Vor 90 Jahren, am 10. Mai 1933, brannten in fast allen Universitätsstädten Scheiterhaufen mit den Werken von über 130 jüdischen und politisch geächteten Autoren. Über die Ereignisse in Frankfurt und Darmstadt berichtete die Frankfurter Historikerin Jutta Zwilling am 4. Mai. Die Veranstaltung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge fand im Alten Amtsgericht, Obertor 1, statt. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis war in der Zwingenberger Stadtbücherei am Marktplatz 1 die Ausstellung „verbrannt – verbannt“ bis Anfang Juni zu sehen, unter anderem mit Porträts und Büchern von 14 verfolgten Schriftstellerinnen und Schriftstellern.

Die nationalsozialistisch dominierte Deutsche Studentenschaft hatte diese Aktion „wider den undeutschen Geist“ initiiert. Akademische Lehrer, aber auch viele Bürger unterstützten sie. Allein in Frankfurt verfolgten 15.000 Menschen, wie die verfemten Bücher – begleitet von „Feuersprüchen“ – auf dem Römerberg in Flammen aufgingen. Die in öffentlichen und privaten Bibliotheken oder Buchhandlungen gemäß „schwarzer Listen“ konfiszierten Werke brachten die Studierenden auf einem Ochsenkarren ins Stadtzentrum. Eine SS-Kapelle führte den Zug aus Burschenschaftlern in vollem Wichs, der SA sowie der Professoren und Dozenten an. Die Brandrede hielt der evangelische Hochschulpfarrer Otto Fricke, der sich nach 1945 darauf berief, es sei um „pornografische Schriften und Schundliteratur“ gegangen. Tatsächlich landete aber Literatur von Heinrich und Thomas Mann, Brecht, Feuchtwanger, Kästner, Tucholsky, Remarque, Wolfskehl, Gundolf, Zuckmayer, Langgässer, Keun, Kracauer, Seghers, von Unruh und vielen anderen im Feuer. Hochschulgruppenführer Georg-Wilhelm Müller, später unter anderem Adjutant von Goebbels, verlas ihre Namen.

In Darmstadt fand die Aktion wegen universitätsinterner Kontroversen erst am 21. Juni zur traditionell von den Studierenden begangenen Sonnenwendfeier vor dem Bismarckturm statt. Wohl nicht nur angesichts strömenden Regens kamen nur rund 600 Schaulustige zum mitternächtlichen Fackellauf Richtung Mercksplatz. Denn Anfang Juni hatte der hessische NSDAP-Ministerpräsident Ferdinand Werner auf der Jahrestagung der Wissenschaftlichen Bibliothekare in Darmstadt geäußert, man könne nicht dulden, „dass der Bestand wissenschaftlicher Bibliotheken angegriffen“ werde durch „wilde Räte und kleine Konventikel“. Die in Darmstadt verbrannten Bücher hatte die SA nach Aufrufen des NS- Studentenführers Walter Madee in der Tagespresse bei privaten Haushalten eingesammelt. Andere Druckwerke stammten aus Beschlagnahmungen.

Außerdem skizziert die Geschichtswissenschaftlerin, welchen Verfolgungen Schriftsteller aus Hessen ausgesetzt waren. Denn die symbolkräftig inszenierte Kampagne sollte die als Juden, Pazifisten oder Kommunisten geschmähten Urheber der verbrannten Bücher diskreditieren und aus dem Geistesleben systematisch verdrängen. Die meisten verloren in der Folge ihre Existenzgrundlage, erhielten Berufsverbot, mussten ins Exil flüchten oder KZ-Haft erdulden.

Die Frankfurter Historikerin Jutta Zwilling zeigte auf, wie die Nationalsozialisten diese Attacke nutzten, um Meinungsfreiheit und Pluralismus den Boden zu entziehen. Zugleich verdeutlichte sie am Beispiel der Bücherverbrennungen das systematische Vorgehen der Nationalsozialisten bei Zerstörung der Demokratie und umfassender Kontrolle der Gesellschaft. Mit den Bücherverbrennungen beraubte sich die akademische Elite vor aller Augen der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit und gliederte sich in beispielloser Selbstmobilisierung in das NS-Wertesystem ein.

Jutta Zwilling von zeitsprung. Kontor für Geschichte gehörte zum Kuratorenteam zahlreicher Ausstellungen. Zuletzt war 2021/2022 „Eine Stadt macht mit. Frankfurt und der NS“ im Historischen Museum Frankfurt zu sehen. Sie verfasste zudem viele Beiträge zur NS-Zeit in Frankfurt und Hessen.
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